Vor zweit Tagen hat in China die Sommerolympiade begonnen. In der Berichterstattung wurde dabei auch immer wieder auf die Situation in Tibet hingewiesen. Ein nicht unwesentlicher Bestandteil der Diskussion ist dabei sicherlich auch die kulturelle Eigenständigkeit des tibetischen Hochlands. Das diese – zumindest in kulinarischer Hinsicht – klar gegeben ist, zeigt sehr schön das Kochbuch Tibetisch kochen. Erschienen ist es in der Reihe Gerichte und ihre Geschichten.
Wer bereits meine anderen Vorstellungen der Kochbücher aus dieser Reihe kennt, der wird wissen, dass hier tatsächlich der kulturelle Hintergrund der Gerichte eine wichtige Rolle spielt. Dies schlägt sich auch in umfangreichen Einleitungen nieder. In diesem Buch ist die Einleitung mit knapp über 50 Seiten jedoch noch ausgeprägter als in den anderen Titeln der Serie. Sie liest sich interessant und spannend, so dass ich sie am Stück auf einer meiner aktuell zahlreichen Bahnfahrten nach München gelesen habe. Dabei hat sich der hochmoderne ICE in meiner Vorstellung immer mehr in eine tibetische Küche verwandelt, in der es lecker geduftet hat. Besser kann man wohl kaum in die Küche einer Region einführen.
Dabei hält sich die Einführung geschichtlich und politisch bedeckt. Statt dessen wir die Geografie Tibets als Grundlage der dortigen Landwirtschaft beschrieben. Es folgen Informationen zur tibetischen Esskultur, den Kochutensilien, der Küche, dem Essen der Mönche und der sehr höfliche und zurückhaltenden Etikette. Bei der Beschreibung der wichtigen Grundzutaten wird schnell klar, dass in der tibetischen Kultur das lange Konservieren von Lebensmitteln mit einer Perfektion beherrscht wird. Ganz ohne die Zusatzstoffe der Lebensmittelindustrie hält sich dort dehydrierte Butter beispielsweise 30 bis 40 Jahre. (Ja Jahre, nicht Monate.) Abschließend wird das tibetische Neujahrsfest und die damit verbundenen kulinarischen Traditionen vorgestellt.
Doch wenden wir uns nun den Rezepten in dem Kochbuch zu. Teile davon sind in einer klassischen Aufteilung sortiert. So finden sich die Rubriken Eintöpfe/Suppen, Fleisch/Geflügel, Gemüse, Zwischenmahlzeiten und Dips/Saucen. Fisch ist nicht vertreten, da dieser aus religiösen Gründen in Tibet nicht gegessen wird. Dazu kommt dann jeweils ein eigenes Kapitel über Momos (gefüllte Teigtaschen), Brot und das klassische Tsampa sowie Desserts und Gebäck. Abschließend werden Getränke behandelt, wo auch nochmal der in der Einleitung ausführlich besprochene Buttertee nochmal beschrieben wird.
Man merkt den Rezepten an, dass die Autorin sich sehr bemüht hat, wirklich die ursprünglichen Rezepte der Region zusammenzustellen. Das bedeutet größtenteils auch, dass diese recht einfach sind. So bereitet die Zubereitung oft nicht viel Mühe, jedoch Geschick und Erfahrung. Viele der Rezepte sind dabei eher eine Art detaillierte Gebrauchsanweisung für bestimmte Zutaten. So wird beispielsweise erklärt, wie man Tsampa selbst herstellt und es als Pak ist.
Zu jedem Rezept gibt es neben dem deutschen Namen auch die tibetische Bezeichnung in einer asiatischen und lateinischen Schreibweise. Die Zutatenlisten sind sehr übersichtlich und die Zubereitungsschritte leicht verständlich. An einigen Stellen, beispielsweise beim Formen der traditionellen Momos, werden diese durch Zeichnungen unterstützt. Wie für die komplette Reihe üblich, gibt es zu den Gerichten keine speziellen Fotos.
Bei einigen Rezepten ist es allerdings schwierig die typischen Zutaten bei uns im Handel zu erwerben. So muss man sich hier mit europäisierten Versionen zufrieden geben, auch wenn im Rezept immer die Originale mit beschrieben werden.
Optisch ist das Buch eher schlicht aufgemacht. Es gibt zwei Fotoblöcke, von denen der erste Land und Leute, der zweite Lebensmittel und Gerichte zeigt. Die restlichen Seiten kommen ohne Farben aus. Gerade bei solch traditioneller Küche schadet es aber auch nicht, kein Foto in 3-Sterne-Optik der Speisen zu haben. Statt dessen kann man sich auf die Gerichte konzentrieren. Die Lesetexte der Einleitung und auch in den Rezepten lassen sich dank eines gelungenen Satzes gut und flüssig lesen.
Bei so einem guten Kochbuch wundert es nicht, dass es zum Kochbuch des Monats im Juli 2008 gekürt wurde. Mehr dazu gibt es beim Deutschen Institut für Koch- und Lebenskunst.
Aus diesem Kochbuch getestet:
Fazit:
Selten gibt es Kochbücher, die so konzentriert und interessant die kulinarische Kultur einer Region auf den Punkt bringen. Schon alleine um sich in die Welt hineinzuversetzen eine lohnende Investition.
Übersicht:
Titel: Tibetisch kochen
Reihe: Gerichte und ihre Geschichte
Autor(en): Tsering Mendrong
Verlag: Verlag die Werkstatt
ISBN: 978-3-89533-520-4
Bezugsquelle:
Hinweis: Diese Rezension entstand dank eines Rezensionsexemplares, welches mir der Verlag überlassen hat.