„Irgendwo zwischen Koch- und Geschichtsbuch.“ Das wäre wohl eine relativ gute Beschreibung für das Buch Es möge Erdäpfel regnen – Eine Kulturgeschichte der Kartoffel, das im November 2007 zum Kochbuch des Monats gekürt wurde. Ich habe es mir für euch angesehen. Und in diesem Fall auch komplett durchgelesen.
Wenn man einen Blick in das Inhaltsverzeichnis wirft, fällt dort zunächst nicht auf, dass in dem Buch 170 Rezepte mit Kartoffeln enthalten sind. Dies sind nämlich nicht in einer eigenen Rubrik zu finden, sondern immer in die einzelnen Buchkapitel eingestreut.
Auf meine übliche Bewertung der Rezepte möchte ich an dieser Stelle verzichten. Denn die Erdäpfel-Rezepte – um im Wortschatz der österreichischen Autorin zu bleiben – sind größtenteils historischen Ursprungs und teilweise auch im originalen Wortlaut wiedergegeben. Das mit heutigen traditionellen Rezepten und deren Beschreibung zu vergleichen, würde auf keinen Fall funktionieren. Sie sind auch passend zum Buch ohne Abbildung aufgeführt.
Einige von den Rezepten sind auch nicht unbedingt zum Nachkochen zu Hause geeignet. Etwas die Rumford-Suppe mit Mengenangaben für 100 Personen. Aber auch die anderen Rezepte sind so schlicht gehalten, wie man sie vor Generationen noch zubereitet hat. Diejenigen, die ich ausprobiert habe, habe ich daher als einfache aber leckere Hausmannskost kennengelernt.
Doch damit zum kulturgeschichtlichen Fokus des Kartoffelbuchs. Statt einer Einleitung wird – kurz kommentiert – ein Eintrag über „Tartuffeln“ aus einer Enzyklopädie von 1740 zitiert. Anschließend wird die Herkunft der Kartoffeln und deren erste Verbreitung in Europa beschrieben.
Interessanter Weise waren die Kartoffeln zunächst als botanische Besonderheit an den Adelshöfen zu finden und wurden zu Beginn in Europa kaum als Nahrungsmittel akzeptiert. Wenn dann nur auf den Tafeln des Adels, während die Bauern die Knolle meistens ablehnten. Der eigentliche Durchbruch in Europa kam vielerorts erst, als die Kartoffeln helfen konnten, Hungersnöte zu besiegen. Auch diese Informationen über die Einführung und Akzeptanz in Europa werden in den folgenden Kapiteln sehr ausführlich beschrieben.
Regionale Besonderheiten werden daran anschließend betrachtet. Dies bezieht sich sowohl auf die Geschichte der Kartoffeln in den verschiedenen Regionen Europas als auch deren Einbindung in die jeweils vorherrschende Küche. Abschließend werden einige Kartoffelsorten betrachtet, was für meinen Geschmack deutlich mehr Tiefgang hätte haben können. Ein Blick in die Zukunft und Übersetzungslisten für das Wort Kartoffel runden das Buch ab.
Insgesamt haben die Texte einen sehr guten Informationswert und lesen sich angenehm leicht. Lediglich mit den Passagen, in denen historische Texte wörtlich wiedergeben werden habe ich mich persönlich schwer getan.
Ein abschließender Blick auf die Aufmachung des Kartoffelbuchs: Die Optik und Haptik passen wunderbar zu dem Blick zurück in die Vergangenheit. Ein schöner Leineneinband mit einem Lesezeichen unterstreichen die Qualität des Buchs. Den Textsatz würde ich als klassisch und sehr gut lesbar betrachten. Aufgelockert werden die Texte durch Repliken historischer Zeichnungen und Drucke.
Fazit:
Insgesamt ein wunderbares Buch. Als Kochbuch für begeisterte Köche mit geschichtlichem Interesse und als Geschichtsbuch für Historiker mit einem feinen Gaumen.
Übersicht:
Titel: Es möge Erdäpfel regnen – Eine Kulturgeschichte der Kartoffel
Autor(en): Ingrid Haslinger
Verlag: mandelbaum verlag
ISBN: 978-3-85476-216-4
Auszeichnungen: Kochbuch des Monats 11/2008
Bezugsquelle:
Hinweis: Diese Rezension entstand dank eines Rezensionsexemplares, welches mir der Verlag überlassen hat.